Montag, 11. Juli 2011

Trampen nach Bonito! (November 2009)


 
Als Mitfahrer eines Trucks, polterten wir über holprige Landstraßen durch ein Bildnis der unberührten Natur. Zu hunderten grasten magere Kühe am Wegesrand oder versperrten den Weg. Trotz unseres gebrochenen Portugiesisch, unterhielten wir uns mit unserem Fahrer, der von seinem strapaziösen Arbeitsalltag berichtete, welcher im Durchschnitt 17 Stunden pro Tag andauerte. Nach einer schweißtreibenden Tramping-Aktion durchs saftige Grün der Pantanal-Region und vorbei an den für den Bundesstaat Mato Grosso do Sul so typischen Gauchos zu Pferde sind wir in Bonito (dt.: hübsch) angekommen, einem Naturparadies mit Grotten und kristallklaren Flüssen. Außerdem soll es hier eine wahnsinnige Artenvielfalt geben, weshalb sich sogar Jaguare in freier Wildbahn beobachten lassen. Leider mussten wir realisieren, dass das von uns ersehnte Naturspektakel nicht ohne seinen Preis kam; jedes Fleckchen Grün war abgezäunt und nur per Ticket passierbar und jeder, den wir hier getroffen haben, schien etwas mit "Tourismus" zu tun zu haben. Naiv gedacht, aber es ist dennoch eine Schande, dass einem der Zutritt zu so einem schönen Fleckchen Erde deshalb verwehrt bleibt.
Ein kleiner Trost: wer auf schmalem Fuße lebt, kommt zumindest im Banheiro Municipal(Freibad) auf seine Kosten! Dies kann man sich absolut nicht wie ein gewöhnliches Freibad in Deutschland vorstellen, sondern man läßt sich dort im Fluß von der Strömung tragen, während riesige, bunte Fische an einem vorbeischnellen.


 




Papagei im Banheiro Municipal

Wie wir jedoch so ganz entspannt und beschwingt von unserem kleinen Badeaufenthalt per Anhalter die Rückreise antreten wollten, erlebten wir eine böse Überraschung. Eine Militärkontrolle, in die wir hineingeraten waren, wollte uns nicht weiter passieren lassen. Die Tatsache, dass wir keine Ausweise bei uns trugen, machte sie stutzig und so wurden wir kommentarlos im tarnfarbenen Jeep von vier schwer bewaffneten Militärpolizisten zum nächsten Posten gefahren. Sie trugen tiefschwarze Sonnenbrillen und verzogen keine Miene, was unser mulmiges Gefühl nur noch verstärkte. Der Fall lag auf der Hand: korrupte Polizisten wollten uns einschüchtern und uns dann abziehen! Von solchen Fällen hatte man schließlich schon häufig gehört. Daher stopften wir uns klammheimlich Geldscheine sowie Kamera in die Unterwäsche, wobei uns das Adrenalin nur so durch die Adern schoss. Nachdem sie uns dann auf der Wache gefilzt hatten, erfuhren wir, dass sie eigentlich nur an der Nummer unserer Reisepässe interessiert waren, da sie uns angeblich für illegale Prostituierte gehalten hatten- Autostopp ist nämlich sehr untypisch in Brasilien. Unsere Theorie lautet aber eher, dass den Herren einfach nur langweilig war. Nach diesem kleinen Zwischenfall, konnte es dann endlich weitergehen Richtung Corumbá.

Militärkontrolle



Schon nach zwei Minuten fanden wir ein freundliches Ehepaar, das gewillt war uns mitzunehmen. Am Abend luden sie uns sogar zur Geburtstagsfeier ihres Sohnes ein, die im eigenen Nobelrestaurant stattfand. So brachen wir für einen Abend aus unserem Low-Style- Backpacker-Life aus und bekamen einen Eindruck vom High Society-Leben Brasiliens. Obgleich wir unseren feinsten Zwirn aus unserem Koffer gekramt hatten, waren wir underdressed im Vergleich zu den anmutenden Damen dieses erlesenen Zirkels. Nichtsdestotrotz wurde uns jeder Wunsch von den Lippen abgelesen: unentwegt brachten uns Kellner typische Gaucho- Häppchen und Caipirinhas und die Männer der Familie bezirzten mit sanften Bossa Nova-Klängen. An dieser Stelle bietet es sich an, eine Textstelle des Musikstückes „Show and Shine“ von Deichkind zu zitieren, um unseren Eindruck dieses Abends besser zu vermitteln.


„Ich betrete den Prunksaal, sehr geschmackvoll. Schau'n Sie sich die Decke an, alles Blattgold.
Ein Hauch vergessener Dynastien, verstrahlte Kaiser, besessen vom Kokain.
Baroness, Respekt vor ihrer Leistung, mein Haar streift'n Teppich bei meiner Verneigung.
Welch bezauberndes Antlitz! Kommen Sie bitte Morgen vorbei auf meinem Landsitz!
Es wird ein kalter Tag, ziehen sie sich warm an, wir reiten in den Wald zur Jagd.
Und danach gibt's Diner, können Sie die Zeit entbehr'n? Bischen Rehragout mit Preiselbeer'n.

Ich step' in den Salon, auf solchen Festen. Fett gestyled, mit Schmuck und schicken Westen.
Man trägt heute: adretten Zwirn. Es wär' mal ein Vergnügen das Parkett zu strüm'.
Die Herren haben einen Blick auf die Damen gerichtet, ich bagger' mit Manieren - Adel verpflichtet.
Oh, das ist ja blitze blank, ich hab 'n Drang zum Tanz, darf ich bitten Madamme?
Milady, seien Sie unbesorgt, Walzer macht fit, ein gesunder Sport.
Auf dem Dancefloor wird es Barock, man dreht sich im Kreis, grazil aber flott.
Ich empfinde zu ihnen eine gewisse Bindung. Kommen Sie wir treten hinaus zu dem Springbrunnen.
Trinken Sie mit mir? Ich bin ein Zar! Eine Wiener Melange wäre nett, nicht wahr?

Das Bankett ist eröffnet, der Adel entzückt, zur Festlichkeit wurden Geranien gepflückt.
Mit Smaragden bestückt scheint das Chateau Bizarre. Das Mahl ist verblüffend, von all'm so viel da,
der Tisch ist gedeckt, mit Silberbesteck. Ein besinnliches Fest? Ha! Wilder Exzess!
Der Tanz der Harlekins ist amüsant, oh ein Jongleur führt durch das Programm!
Im Foyer toupiert sich der Baronins Mama, ihr samtes Haar, der Zar erstarrt,
nippt an seinem goldenen Kelch, verneigt sich, weil es besonders gefällt.
Der Adel von Welt, vom Fürst bis zum Prinz, Exzellenz vergnügt sich und grinst.
Nicht das übliche Gift, nein Absinth wird gereicht - Die Herrschaften wär'n dann soweit.“


     
Gauchos zu Pferde
Warten auf den nächsten Lift

Mann am Straßenrand
Kühe versperren die Straße

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