(Laura)
Im Gespraech mit Argentiniern kam das Thema "Guerra Sucia" auf, einem erschreckenden Kapitel in der juengsten Geschichte Argentiniens. Dies war der Anlass mich etwas naeher mit den historischen Ereignissen dieses Landes zu befassen und ich dachte, vielleicht wuerde das auch ein paar von euch interessieren! Kulturbanausen koennen hier also weiterskippen ^^, ihr solltet aber zumindest den letzten Teil ueber die Mentalitaet der Argentinier lesen :) .
Argentinien hat, wie die meisten Laender Suedamerikas, eine sehr turbulente Geschichte; gezeichnet von Epochen despotischer Herrschaft und Korruption aber auch Zeiten, in denen Argentinien zu den weltweit treibenden wirtschaftlichen Kraeften gehoerte und Groessen wie Che Guevara oder Eva Perón hervorbrachte.
Einmarsch der Spanier
Ungefaehr zehn Jahre nachdem Kolumbus zufaellig auf den Kontinent traf, machten sich andere Spanier auf, das heutige Suedamerika zu erforschen. Es ging das Geruecht umher, dass hier viel Silber zu finden sei, weshalb der Fluss, der Argentinien von Paraguay abtrennt, auch sogleich 'Río de la plata' (Fluss des Silbers) genannt wurde, was sich aber als Irrtum herausstellte.
Die heute am bedeutendsten Staedte Argentiniens wurden alle im 16. Jahrhundert gegruendet, wobei Buenos Aires fuer lange Zeit eher auf der Strecke blieb was wirtschaftliche Entwicklung angeht, da der gesamte Handel zwischen Spanien und und ihren Kolonien ueber Lima abgerollt wurde.
Die Jesuiten
Wahrenddessen kolonisierten dem Jesuitenorden angehoerige Missionaere den Nordosten Argentiniens, wo sie die dort indigenen Guaraní (100.000 an der Zahl) in 30 Siedlungen missionierten. Wachsam dem steigenden Wohlstand und der Macht der Jesuiten gegenueber, die unabhaengig von Iberien operierten(im Altertum Bezeichnung fuer die spanischen und portugiesischen Kolonialmaechte), verwies die spanische Krone den Orden im 18. Jahrhundert des Landes, woraufhin sich die Gemeindschaften in Luft ausloesten. Der Jesuitenorden entspringt uebrigens dem Katholizismus und zaehlt auch heute noch knapp 20.000 Mitglieder.
Ferner ist er fuer den absoluten Gehorsam, dem sogenannten Kadavergehorsam bekannt, denn so sprach der Gruender Ignatius von Loyola „Ich werde glauben, dass Weiß Schwarz ist, wenn es die Kirche so definiert."
Buenos Aires- von einer Provinz zur Metropole
Aufgrund der strengen wirtschaftlichen Restriktionen dauerte es fast 200 Jahre bis Buenos Aires florieren konnte. Der Hafen war ideal fuer den Handel geeignet und viele frustrierte Kaufmaenner fingen an Schmuggel zu betreiben, bis die spanische Krone Buenos Aires Wichtigkeit fuer den transatlantischen Handel im 18. Jahrhundert endlich anerkennen musste.
Zu Ende des 18. Jahhunderts hin draengte die in Argentinien geborene Generation auf Autonomie seitens Argentiniens von den Spaniern und nachdem Napoleon 1808 in Spanien einmarschierte, erklaerten sie ihre Unabhaengigkeit. Von einer friedlich vereinten Nation kann jedoch keine Rede sein: wegen Unstimmigkeiten ueber die Verwaltung Argentiniens herrschten zwanzig weitere Jahre Schrecken und Gewalt. Teile der Bevoelkerung verfechteten die Rolle Buenos Aires als Autoritaet und Angelpunkt des Landes (Unitarismus), waehrend die Foederalisten nach Erhaltung der provinzialen Eigenstaendigkeit strebten.
Das naechste Jahrhundert war gepraegt von hohem Fortschritt und Aufbau der Infrastruktur und der Nation als Ganzes. Immigranten aus Spanien, Deutschland, Italien und Osteuropa stroemten ins Land; im Rotlichtviertel des Hafens wurde der Tango geboren und irische Fluechtlinge wurden die ersten Schafhirten. Zwischen 1850 und 1880 wuchs die Nation um das Zehnfache! Zu Anfang des 20. Jahrhunderts verschlechterte sich die oekonomische Lage drastisch und die Stimmung unter Arbeitnehmern wurde zunehmend unruhig. Ungerechtigkeit in der Landverteilung und die Tatsache, dass die Wirtschaft nicht alle neu Zugewanderten aufnehmen konnte, endeten schliesslich in grossen Unruhen gipfelnd in der Weltwirtschaftskrise von 1929 und der Uebernahme der Macht durch das Militaer.
Juan und Eva Perón- Idole der Geschichte Argentiniens
Der erste der sich den oekonomischen Problemen des Landes erfolgreich annahm war Juan Perón, Argentiniens meist verehrtester aber auch verhasster Praesident. Mit Hilfe seiner Frau Eva Perón, die eine noch groessere Rolle in der Geschichte Argentiniens spielt, erweiterte er das Wahlrecht fuer die Mittelklasse, sicherte das Wahlrecht fuer Frauen und ermoeglichte die universitaere Bildung ohne Klasseneinschraenkung. Eva Perón, zaertlich von den Argentinien Evita getauft, stammte urspruenglich aus einer Kleinstadt und kam nach BA um sich dort als Schauspielerin zu versuchen. Sie arbeitete in verschiedenen Taetigkeiten im Medienbereich und wahrend einer Wohltaetigkeitsveranstaltung lernte sie ihren zukuenftigen Mann Juan Perón kennen, der von ihrem Charisma hingerissen war. Wahrend seiner Amtszeit als Praesident, setzte sich Evita besonders fuer die Benachteiligten ein, indem sie eine Stiftung gruendete, die Haeuser fuer die Armen baute und Essen, Kleidung sowie medizinische Versorgung direkt an Beduerftige leitete. Ferner unterstuetzte diese Stiftung Kinder in Not und mit ihrem Mann brachte sie ein Gesetz durch, dass das Recht fuer alte Menschen auf einen Altenheimplatz gewaerte.
Oekonomische Probleme und ansteigende Inflation 15 Jahre spaeter, gepaart mit dem tragischen Tod Evitas durch Krebs, minderten Peróns Popularitaet enorm und 1955 wurde er durch einen Putsch gestuerzt und ins Exil nach Spanien verbannt. Was folgte waren fast dreissig Jahre schrecklicher, militaerischer Herrschaft.
Nachdem sich die politische Lage einigermassen beruhigt hatte, kehrte Perón nach 18 Jahren Exil zurueck und wurde auch prompt zum Praesidenten wiedergewaehlt. Das Gefuehl der Wiedervereinigung Argentiniens, dass durch seine Rueckkehr entstand, hielt jedoch nicht lange vor: schon im Folgejahr starb Perón, und hinterliess das Land seiner dritten Frau und gleichzeitig Vizepraesidentin Isabel, die das Land in den Abgrund stuerzte.
Der schmutzige Krieg
Wahrend der 60-iger und 70-iger stieg der Unmut innerhalb der Bevoelkerung, was sich durch Aufstaende und die Gruendung von bewaffneten Guerilla-Gruppen, die sich dem Staat gegenueberstellten, auesserte. Mit ihrem Todeskommande 'Triple A' (Alianza Argentina Anticomunista) versuchte Isabel gegen die revolutionaeren Gruppen vorzugehen. Zu Ende der 70iger hin, ergriff Militaergeneral Videla die Macht mittels eines Putsches, und kuendigte der Nation an die soziale Ordnung wiederherzustellen. Presse und Oeffentlichkeit unterstuetzten ihn und waehrend dem sogenannten "Prozess der nationalen Neuorganisation", zogen Streitkraefte durchs Land und verhafteten, vergewaltigten und toeteten jeden, der potentiell links eingestellt war.
Zwischen 1976 und 1983, oft als "Guerra Sucia" oder schmutziger Krieg bezeichnet, "verschwanden" ca. 30.000 Menschen; was heisst, dass sie entfuehrt, verhaftet, gefoltert und umgebracht wurden, ohne Chance auf einen legalen Prozess.
Obwohl das Abhalten von oeffentliche Versammlungen verboten war, fingen 14 Muetter verlorener Soehne an, woechentlich zum Plaza de Mayo zu marschieren und draengten hier auf Antwort ueber den Verbleib ihrer Soehne. Dies stellte sich als Herausforderung fuer die militaerische Regierung heraus, da die Frauen ihren Kampf unter dem Banner der Mutterschaft austrugen. Bis 2006 widerholten sie dieses Ritual und heutzutage zollt man ihnen wesentlichen Einfluss auf die Wiederherstellung der zivilen Ordnung zu.
Argentinien Heute
Zwar wurde in der juengsten Vergangenheit die gesellschaftliche Ordnung des Landes wiederherzustellen, dennoch leidete Argentinien stark unter der permanent schwankenden Wirtschaft und sah sich 1999 sogar einer erneuten wirtschaftlichen Krise ausgesetzt. Menem, Argentiniens derzeitiger Praesident, brachte dem Land naemlich ganze 114 Billionen US-Dollar Schulden ein, indem er den Peso und den Dollar gleichstellte. Dies erweckte zu Anfang den Eindruck einer oekonomischen Stabilitaet, endete schliesslich aber im wirtschaftlichen Zusammenbruch.
Heutzutage ist die wirtschaftliche Lage Argentiniens relativ stabil. Kirchner, der bis 2007 regierte, schaffte es alle Landesschulden auszugleichen und schraubte ausserdem die Korruption innerhalb der Regierung betraechtlich herab. Als Nachfolger wurde seine Frau Chrstina Kirchner gewaehlt, Argentiniens erste weibliche Praesidentin, als Ausdruck der Zufriedenheit der Bevoelkerung mit Kirchners Politik.
Mentalitaet der Porteños (Einwohner von Buenos Aires)
Insgesamt lassen sich die Argentiner als ausserordentlich warmherzig und gastfreundliches Volk beschreiben. Durch ihre offenherzige Art wird man leicht in ein Gespraech verwickelt und auch wenn Argentinier haeufig als etwas selbstverliebt gelten, kann man sich in Argentinien nicht anders als wohlfuehlen. Im Gegensatz zu Deutschland, aber auch vielen anderen Nationen die wir bisher kennengelernt haben, sind sie sehr viel herzlicher und koerperbetonter im Umgang miteinander; unter maennlichen Freunden beispielsweise, ist es normal sich als Begruessung Kuesse zu geben oder sich liebevoll ueber die Schulter zu streichen. Ein haeufiger Anblick sind ausserdem die zu Dutzenden vorkommenden Paerchen im Park, auf der Strasse, oder in der Bahn, die engumschlungen ihre Liebe demonstrieren.
Nichtsdestrotrotz spuert man auch einen Hauch von Melancholie- aber das ist ja kein Wunder bei einer Nation, die so viele einschneidende Erlebnisse in der Geschichte, wie Wirtschaftskrisen und Militaerputsche, sowie korrupte Poltiker ueber sich ergehen lassen musste.
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