Dienstag, 23. Dezember 2008

Singapur

Singapur, ein komplett geordnetes Land. Alles scheint hier geregelt zu sein, so muss man fuer's Essen in der Bahn, oder Muell wegwerfen -im schlechtesten Falle- 500 Dollar (ein Singapur-Dollar entspricht im Moment 0,51 Euro) zahlen und fuer Rauchen in oeffentlichen Toiletten kann man mal eben fuer ein halbes Jahr in den Knast wandern.

In den ersten Tagen waren wir ziemlich achtsam, da wir an jeder Ecke aus dem Busch springende Securitymaenner erwarteten, die einem bei Fehltritten mit Bodyslam Handschellen anlegen wuerden. Nichts dergleichen ist eingetreten. Frecherweise wagten wir uns sogar in einem Taxi alkoholische Getraenke zu uns zu nehmen UND in der Bahn zu essen ;)


Trotzdem haben wir uns hier wohl gefuehlt, da wir mit unseren Couchsurfern wirklich Glueck hatten. Die ersten zwei Tage haben wir bei Kelvin verbracht, einem lustigen chinesisch- staemmigen Kautz, der auf relativ begrenztem Wohnraum in einem Hochhaus mit seiner Familie zusammen wohnt. Da er schon bald aus geschaeftlichen Gruenden abreisen musste, konnten wir leider nur wenig Zeit mit ihm verbringen. Er (bzw. sein Freund Yen, der ihn freundlicherweise vertrat) hat es in der kurzen Zeit aber geschafft uns die Hotspots Singapurs nahe zu bringen.

Wir waren z.B. in Chinatown essen, wo es fuer unsere Nasen ziemlich seltsam(bzw. ekelhaft) gerochen hat. Vielleich lag das an der legendaeren Durian-Frucht, die fuer die Chinesen eine Delikatesse darstellt, jedoch so stinkt, dass sie weder in Kaufhaeuser, noch in die Bahn mitgenommen werden darf, worauf andernfalls 500 Dollar Strafgeld erhoben werden kann. Trotz unseres Ekels vor dem Geruch, haben wir uns dazu durchgerungen, sie zu probieren. Wie kann man das beschreiben? Matschige Zwiebel, mit einem Hauch von verdorbenem Ei und Erbrochenem. Den ganzen Tag noch ueber hatte ich das Gefuehl (Laura) jeden Moment erbrechen zu muessen, da die Durian einem immer wieder hoch kam. Aber eine Erfahrung war es wert!

Ausserdem waren wir in einem hinduistischen Tempel, haben einer buddhistischen Zeremonie beigewohnt, sowie eine Moschee besucht, in der uns ein angehender Imam gefuehlte zwei Stunden all unsere Fragen beantwortete.


Spaeter schlenderten wir die Partymeile Clarke Quay entlang. Ein riesiger Fluss umgeben von tausend Lichtern und Wolkenkratzern. Buntbestrahlte Bruecken, eine Promenade mit unzaehligen Restaurants und vielen anmutigen, durchgestylten Asiatinnen. Im Vergleich haben wir uns wie Nilpferde gefuehlt. Das Zentrum des Nachtlebens liegt hier, die Diskotheken und Bars befinden sich in einer riesigen, ueberdachten Halle und alles wirkt ziemlich futuristisch und abgefahren. Es gibt z.B. eine Bar, die aufgemacht ist wie eine Krankenstation...

Der Alkohol wird ueber einen Tropf serviert, man sitzt auf Krankenbetten und wird von Krankenschwestern bedient. Nebenan lassen sich Leute von einem Bungee-Geraet mit 200km/h in die Luft schleudern. Die Reeperbahn wirkt altbacken dagegen.

Wir haben uns mit einem anderen Couchsurfer getroffen und dabei kam die asiatische Mentalitaet als Gespraechsthema auf. Zum einen fiel uns auf, dass die Asiaten (zumindest die aus Singapur) aeusserst hoeflich sind. Kaum aus dem Flugzeug gestiegen, gingen wir ins Internetcafe um dort eine Bleibe zu suchen. Ein Mann, der in Eile war, bat uns, ihm fuer ein paar Minuten den oeffentlichen Computer zu ueberlassen und entschuldigte sich dafuer danach ca. 20 Mal. Als "Entschaedigung" zwang er uns foermlich, uns auf einen Drink einladen zu lassen. Diese Freundlichkeit fiel uns auch beim Clubben auf, wo wir von etwaigen asiatischen Maedchen angelaechelt wurden und ins Gespraech mit ihnen kamen. In Deutschland herrscht da eher eine unterkuehltere Stimmung und Konkurrenzkampf.

Davon abgesehen wirken die Asiaten sehr zurueckhaltend und vorsichtig, dabei jedoch bestrebt, viele Kontakte zu knuepfen, auch wenn diese meist von obeflaechlicher Natur zu sein scheinen. Typisch ist, dass fast jeder Visitenkarten bei sich traegt, die der Empfaenger mit Respekt betrachten sollte; das heisst sie laenger betrachten und z.B. das Design loben oder die Buchstaben mit dem Finger nachfahren.

Ausserdem ist uns aufgefallen, dass die Singapurer noch vom Kommunismus beeinflusst wirken. Regeln werden strikt befolgt und nicht hinterfragt. Selbst Leute die schon seit Jahren in einem Haus wohnen, werden vom Security-Mann nicht in's Haus gelassen, sollten sie mal ihre Lift-Karte (in den teuren Wohngegenden ist es ueblich, dass jedes Hochhaus den ganzen Tag bewacht wird.) vergessen haben. Oder als Laura sich ueber den Alkoholgehalt ihres Getraenks beschwerte und der Barkeeper ihr entgegnete: ''Nein, jeder bekommt das Gleiche. Wenn ich dir mehr geben wuerde, wuerde ein anderer weniger kriegen.".

Es faellt auch auf, dass die Singapurer im Vergleich zu Deutschen viel mehr arbeiten. Viele von acht Uhr morgens bis neun Uhr abends. Ferner fiel auf, dass wir keine Menschen gesehen haben, die aus der Reihe tanzen. Wo sind die Obdachlosen, Emos oder Punks, die am Bahnhof rumstehen? Stattdessen sehen sie alle aehnlich aus: adrett und modebewusst gekleidet, wirken die Asiatinnen sehr maedchenhaft. Letzteres ist uebrigens zeitlos, selbst die ueber 40 jaehrigen sieht man mit Hello Kitty-Shirts.

Das Vorurteil, Asiaten seien Technik-Freaks und Computer-Nerds koennen wir uebrigens absegnen. Ueberall in der Bahn sieht man Typen mit Gameboys(oder wie die Dinger neuerdings heissen), einmal haben wir sogar vier Freunde beobachtet, die sich in einem Cafe gegenueber sassen und statt sich zu unterhalten auf ihre Konsolen einhaemmerten.

Unsere naechstens Hosts waren Yash, Manu und Ankit, drei indische Geschaeftsmaenner, die zeitweilig in Singapur arbeiten. Ebenfalls sehr hilfsbereite und freundliche Jungens. Sie wohnten in einer der besseren Wohnanlagen, welche sehr zentral gelegen war und sogar ueber einen Jakuzzi, einen Pool und einen Wachmann, verfuegte. Breigrinsend sprangen wir schon in der ersten Nacht in den Pool, geplaettet von dem ganzen Luxus.
Obwohl sie ziemlich viel arbeiten mussten, unternahmen wir oefter was zusammen. So waren wir beispielsweise zusammen bei der Zoukoutparty, die auf der Vergnuegungsinsel Sentosa stattfand. Fuenf Stages mit hammermaessiger Elektro-Mucke, beleuchtet von Laserstrahlen und direkt am Strand gelegen, von Palmen gesaeumt. Das war echt ne Hammernacht!
Wir haben aber auch oft einfach nur zu Hause gesessen und geredet und Spiele gespielt.


Obwohl die Jungs sehr brav wirkten, kam es bei unserem Lieblings-Trinkspiel "Circle of Death" zu recht kuriosen Aktionen. Ankit, der Musterschueler, musste vor uns mit Bikini und Schminke posen, was fuer ihn eine ziemliche Ueberwindung darstellte. Was uns beeindruckte, war wie ambitioniert die Leute aus anderen Laendern sind und wie konkurrenzlos die Deutschen im Gegensatz dazu sind. Ihnen wird schon von kleinauf vorgelebt, dass es wichtig ist, sehr gut in der Schule zu sein und viel Geld zu verdienen. Der Studienplatz wird nach dem Gehalt ausgesucht, was man nach Abschluss des Studiums bekommt. Dafuer gibt es sogar Listen. Das verwunderte uns ziemlich, doch genauso verwundert waren unsere Hostas darueber, was wir fuer Anspruche an unser Studium stellen (beispielsweise kreativ zu sein, danach spaeter im Ausland arbeiten zu koennen, keinen Buerojob hinterherzuhaben etc.).
Sie besuchten alle zusammen eine der besten Universitaeten Indiens und wurden vom Fleck weg von Firmen aus Singapur angeworben.

Uns hat ausserdem beeindruckt, wie patriotisch sie sind. Indien bedeutet fuer sie alles und als sie einen Film ueber das Facettenreichtum Indiens zeigten, wurden so sentimental, dass ihnen sogar die Traenken kamen. Sie meinten, dass nichts so schoen ist wie indischer Boden und fuer sie ist es klar, dass sie niemals in Singapur bleiben wuerden.
Was uns ebenfalls Stoff fuer eine interessante Diskussion gab, war das Thema Heirat. Wahrend wir der Instanz Ehe eher skeptisch gegenuebertraten, da wir einfach staendig Ehen scheitern sehen bzw. kaum Leute treffen, die wirklich noch nach langer Zeit gleucklich sind, standen sie ihr sehr positiv gegenueber und konnten sich fuer sich selbst sogar eine arrangierte Ehe vorstellen, da dies bei ihren Eltern ja auch geklappt hat. Ausserdem waren sie der Ansicht, dass sich Liebe auch erst wahrend der Ehe entwickeln kann und dass, wenn man sich sagt, dass die Frau bzw. die Ehe das Wichtigste ist, man auch Krisen ueberwinden kann. Ausserdem sind die Anspueche anders. Ein Ehepaar ist gluecklich, wenn seine Kinder gesund sind und es ihnen eine gute Ausbildung ermoeglichen kann.

Seit wir bei Ankit & Co gewohnt haben, haben wir das indische Essen lieben gelernt, mehr als jemals zuvor. Sie haben uns indische Koestlichkeiten aus verschiedenen Regionen nahegebracht: Idli & Dosa aus dem Sueden Indiens, was mit verschiedenen Chutneys gegessen wird, aber auch die Kueche aus den Nordregionen und aus dem Kashmirgebiet. Lasst es euch gesagt sein Freunde: Das Essen ist einfach nur goettlich. Wir haetten in dem Essen baden koennen. Auch an dem Fakt, dass die meisten Inder vegetarisch essen, stoerten wir uns nicht. Die indische Kueche ist so ausgefeilt und raffiniert, mit ihren vielen verschiedenen Gewuerzen und Sossen. Was wir auch toll daran fanden, war, dass wir hundert kleine Delikatessen vor uns hatten, die geteilt wurden und auf dem Boden sitzend mit den blossen Haenden (meistens) gegessen wurden.

Die Tage verbrachten wir damit, am Strand vom North East Park Inlineskaten zu gehen, oder eine der Attraktionen Singapurs zu besuchen. Eine davon war die bereits genannte Vergnuegungsinsel Sentosa. Mit einem ueber dem wasserfahrenden Skytrain kommt man auf dieses kuenstliche Stueck Erde. Jeder Strauch und und jedes Baeumchen ist zurechtgestutzt und aus Boxen, die in Bueschen versteckt sind, wie es in der Natur nunmal so ist, kommt widerlich kitschige Weihnachtsmusik. Mit Minipussen wird man im Schritttempo zu den Attraktionen gekarrt, umgeben von dauergrinsenden, gebrainwashten Asiaten mit Weihnachtsmuetzen auf. Lichterketten und Plastikweihnachtsbaume brachten uns in gar weihnachtliche Stimmung (Scherz). Mit unserem"Adventure-Package", was ca. anderthalb Naechte im Hostel wert war (wir rechnen jetzt immer in Mahlzeiten und Schlafplatz), konnten wir "Fort Siloso" ansehen, welches uns als "military labyrinth, where you can discover how the life of the soldiers must have been" geschildert wurde. Wir erwarteten ein Schlammfeld mit Hindernissen, eine Paintball-Area oder ein Heckenlabyrinth. Leider wurden unsere Erwartungen mehr als nur enttaeuscht. In der Tat war Siloso ein ehemaliger Stuetzpunkt der Briten um Feinde von Singapur abzuwehren. Die verschiedenen Waffentypen und Wachsfiguren von Soldaten, die dargestellt wurden, haetten einem Militaernarren wahrscheinlich auchTraenen der Begeisterung in die Augen getrieben. Wir fanden es aber irgendwie nicht so toll.
Nicht, dass die verschiedenen Straende Sentosas nicht schoen waren, aber alles in allem war es uns einfach zu kommerziell und zu geleckt. Wir haben uns gefreut, als wir dem Tipp gefolgt sind, Palau Ubin zu besuchen, da diese Insel wirklich noch naturbelassen und kaum bevoelkert war. Gleich zu Anfang gab es mehrere Fahrradverleihe und rund um die Insel herum konnte man Chinesen und andere Landsmaenner, ihre Runden drehen sehen. Die Flora war einfach fantastisch. Man hat sich wie im botanischen Garten in Hamburg gefuehlt, nur das alles, viel groesser und weitlaeufiger war. Zu Anfang hin sind wir von der Hauptstrasse abgewichen und durch den tropischen Regenwald hindurchgeradelt. Das tropische Klima, die vielen Farne, Palmen und Kaffeebaeume, einfach herrlich. Sogar einen Leguan von der Groesse einer Katze haben wir gesehen! Das einzige, was die Stimmung etwas getruebt hat, waren die unzaehligen Muecken, die uns attackiert haben. Wir waren ein reines Minenfeld von Mueckenstichen danach.
Alles in allem ist Singapur ein schoenes Land, wenn man schick ausgehen will, auf Nightlife und Shopping steht. Singapur gleicht der westlichen West sehr. Es wirkt sogar noch sehr viel moderner. Das Stadtleben ist aber ueberall aehnlich. Konsumueberreizung, und tausend Dinge, die man eigentlich nicht braucht. Was wir vermissen werden, ist die Freundlichkeit der Leute, was fuer uns die Stadt ausgemacht hat.

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